3. Brandenburg-Preußen

Königin Luise und Zar Alexander

In der folgenden Zeit zogen sich Massows wie viele andere adlige Familien aus der öffentlichen Verwaltung zurück und widmeten sich eher der Bewirtschaftung ihrer Güter. Eine verheerende Wirtschaftskrise in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts brachte erhebliche Bedrängnis. der preussische AdlerDie Prozessakten des Reichskammergerichts verzeichnen im 16. und 17. Jahrhundert 40 Rechtsstreitigkeiten, an denen Massows beteiligt waren; meist ging es um Geldforderungen oder Grundbesitz. Joachim (C 14) und Ewald (C 15) klagten 1610 aber auch wegen der Verpfändung eines Bauern7. Jüngere Söhne verpflichten sich zum Kriegsdienst in fremden Ländern8, wie etwa Jakob (A 13) in Frankreich, Nikolaus (B 11) in den Niederlanden, Heinrich (B 21) in Böhmen.

Kurfürst Friedrich Wilhelm I
Brandenburgischer Kurfürst Friedrich Wilhelm I. Gemälde von Govaert Flinck um 1652

Im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 versuchte Herzog Bogislaw XIV. zunächst, die eigene Neutralität zu wahren. Im November 1627 forderte der kaiserliche Feldherr Wallenstein aber die Einquartierung von zehn Regimentern. Das führte zur Einmischung Schwedens und zu einem Bündnis mit König Gustav Adolf als dem Verfechter der Reformation. Mit dem Tode Bogislaws im Jahr 1637 erlosch das Herzogshaus in der männlichen Linie, Vorpommern und Stettin fielen im Westfälischen Frieden 1648 an Schweden und Hinterpommern an den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I.

Die Familie diente nun den Hohenzollern. Drei Söhne Joachims (A 26) kämpften im Heer des großen Kurfürsten und starben im polnischen Feldzug. In seinem letzten Lehnsbrief vom 3. November 1699 bescheinigt der Kurfürst Friedrich III., dass „das Geschlecht derer von Massow … den hochseligen Herren Herzögen zu Stettin, Pommern und nachhero den Markgrafen und Churfürsten zu Brandenburg getreue und vielfältige Dienste in viele Wege gern und gutwillig getan habe.“ Aber auch anderswo wurden Kriegsabenteuer gesucht, mehrere Söhne Hans Jürgen Detlevs (B 33) gingen nach Sachsen und in die Niederlande10, Bogislaw Friedrich (B 53) und Hans Albrecht(D 38) traten in den Dienst der Republik Venedig, Ewald (C 20) kämpfte zunächst in Spanien und dann für den polnischen König gegen die Türken.

Trauerzug Rath von Massow
C. Ihre Hoheit, Gemahlin des Herrn Markgraff Albrecht Friedrich von Brandenburg, wird von dem geheimen Rath v. Massow bei einem Trauerzug geführt.

Der Adel verfügte über das Privileg der Steuerfreiheit, da mit der Gutsherrschaft als Lehen früher die Pflicht zur Landesverteidigung verbunden war. Da diese „Ritterdienste“ im Lauf der Zeit obsolet wurden, leitete König Friedrich Wilhelm I. die Allodifikation der Lehen ein, d. h. ihre Umwandlung in frei verfügbaren Besitz, und führte statt dessen die Grundsteuer auch auf Landbesitz ein, was als sehr unpopuläre Maßnahme empfunden wurde. In Hinterpommern wurde 43 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche vom Adel bewirtschaftet, wobei ein großer Teil der Bauern erbuntertänig oder leibeigen war. Sie waren verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Tagen (zwischen 80 und 300) auf den Eigenwirtschaften der Gutsherren zu arbeiten und einen erheblichen Teil ihrer Arbeits- und Zugkräfte dafür bereit zu halten. Die Gutsherren hatten die niedrige Gerichtsbarkeit, d. h. die Polizeigewalt, inne. Sie hatten ein Interesse daran, dass es den Bauern gut ging, denn sonst fehlten ihnen die Arbeitskräfte, und es gab langjährige menschliche Bindungen, eben patriarchalische Verhältnisse. Es kam aber auch zu Übergriffen, wie eine gerichtliche Untersuchung gegen den Obristen Ewald von Massow (B 66) und den Landrat Joachim Rüdiger von Massow (B 67) aus Bartin in den Jahren 1721-1728 zeigt. Die beiden sollen einen Bauern braun und blau geprügelt haben, ihn als Spitzbuben beschimpft und schließlich mit der Flinte bedroht  haben. Das Ergebnis dieses Rechtsstreits ist in den Urkunden aber nicht überliefert.

Im Januar 1701 krönte sich der brandenburgische Kurfürst in Königsberg zum König in Preußen.

Unter seinen Nachfolgern entsteht im 18. Jahrhundert der preußische Staat mit seinen typischen Eigenheiten, einer zentralen Verwaltung mit nur dem Landesherrn verpflichteten Berufsbeamten, einem streng kontrollierten Finanzwesen und einem stehenden Heer, dem sich die eigenen Landeskinder nicht entziehen durften. Die Mitglieder des Adels wurden als Offiziere oder Verwaltungsbeamte zur Mitarbeit im Staat verpflichtet, was dem Adel Anerkennung brachte,  aber auch zu einer gewissen Einseitigkeit führte. Bis zum ersten Weltkrieg stellte die Familie sieben Minister und 16 Generäle.

Jede Erwerbstätigkeit außerhalb des Staatsdienstes oder der Landwirtschaft war praktisch ausgeschlossen, was schließlich zur Verarmung vieler adliger Familien führte. Schon mit zwölf Jahren kamen viele Söhne in die Kadettenkorps oder mit 15 Jahren in die Regimenter und erhielten dort eine im Wesentlichen auf den Offiziersberuf zugeschnittene Ausbildung. Weniger junge Adlige als in früheren Jahrhunderten besuchten die Universitäten.

1748 Urkunde
Urkunde aus dem Jahre 1748 mit drei Siegeln

In der öffentlichen Verwaltung dieser Zeit gab es herausragende Vertreter der Familie. Kaspar Otto (C 28) wurde 1716 Präsident aller vor- und hinterpommerschen Landeskollegien. Vorpommern und Stettin waren nach dem dritten nordischen Kri eg gegen Karl XII. von Schweden wieder an Preußen gefallen und mussten nach der langjährigen Zugehörigkeit zu Schweden wieder in die preußische Verwaltung eingegliedert werden. Kaspar Otto wurde Geheimer Etat- und Kriegsminister und Oberpräsident von Pommern, so dass ihm die gesamte pommersche Verwaltung 20 Jahre lang unterstand.

Petronella Adriana von Massow
Petronella Adriana von Massow

Sein Sohn Joachim Ewald (C 34) wurde 1751 Kammer-(Gerichts-)präsident in Königsberg. Der König Friedrich II. soll bei der Amtseinführung folgende Ansprache gehalten haben: „Ich bin eigentlich der oberste Justizkommissarius in meinem Lande, der auf Recht und Gerechtigkeit halten soll. Aber ich kann nicht alles selbst machen, deshalb muss ich solche Leute haben, wie er ist, um anderen zu ihren Rechten zu verhelfen. … Er muss durchaus unparteiisch und ohne Ansehen der Person richten, es sei Prinz, Edelmann oder Bauer. Hört er, das sag ich ihm, sonst sind wir geschiedene Leute“. Joachim Ewald muss sich wohl bewährt haben, denn er wurde 1753 Minister für das neueroberte Schlesien. Joachim Heinrich (B 50) gibt die Lehnsrechte in Pommern auf und begründet einen holländische Familienzweig. Er wird in den Niederlanden unter dem Freiherrentitel geführt17; zwei seiner Nachkommen werden um 1800 Residenten in Java. Die Tochter des letzten Namensträgers Frederick (B 173) heiratet den Grafen Bylandt; deren Bilder hängen heute als Leihgabe des Familienverbandes bei Joachim (D 89) in Meerbusch.

Am 2. März 1798 wurde Julius v. M. (B 120) „Wirklicher Geheimer Staats- und Justizminister und Chefpräsident des Kammergerichts“. Zum Justizministerium gehörte damals auch das gesamte Kultuswesen, d. h. Schul- und Kirchenwesen. Eine seiner ersten Amtstätigkeiten war es, das berüchtigte Religionsedikt seines verhassten Amtsvorgängers Wöllner aufzuheben; ihm verdanken die deutschen Universitäten die 1810 statuierte Freiheit von Forschung und Lehre. Er war kein politisch sich hervordrängender Mensch, aber ein hochkompetenter Verwaltungsbeamter. Er kommentierte das 1780 in Kraft getretene Allgemeine preußische Landrecht und schrieb unter Anderem eine Abhandlung über das Bibliothekswesen, die 1969 in einem Sammelbändchen über die „Pioniere des öffentlichen Bibliothekswesen“ wieder neu veröffentlicht wurde. Außerdem stellte er das erste Familienbuch, eine genealogische Übersicht, zusammen.

Nach dem Abschluss des siebenjährigen Krieges 1763 wurde Valentin (A 112) „Wirklicher Geheimer Etat- und Kriegsminister“ und übte dieses Amt 12 Jahre lang bis zu seinem Tod 1775 aus. „Minister“ war damals kein politisches Amt, sondern hauptsächlich eine verantwortungsvolle Verwaltungstätigkeit.

Valentin von Massow
Valentin von Massow

Valentin erwarb damals das Haus Nr. 73 in der neu angelegten Wilhelmstraße, in dem sich später die Dienstwohnung des Reichspräsidenten befand. Er vermehrte und verwaltete mit großem Erfolg den Massow‘schen Grundbesitz und legte mit Unterstützung des Königs in Billerbeck eine Weberei und Barchentfabrik an. Seine Tochter Friederike heiratete Friedrich Adolf v. Riedesel. Dieser führte die an den König von England vermieteten, braunschweigischen Truppen als General in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.  Friederike begleitete ihren Mann und hat ihre Reise und den Alltag dieses Krieges sehr anschaulich in einem Buch beschrieben.

Der jüngste Sohn des Ministers, Valentin (A 127), erhielt beim Tode seines Vaters keinen Grundbesitz, sondern nur eine Geldabfindung. Damit kaufte er 1774 das Gut Steinhöfel und ließ das Schloss später durch den mit ihm befreundeten Architekten und Landschaftsplaner Friedrich Gilly umbauen. Der Park wurde nach den Grundsätzen des englischen Landschaftsparkes neu gestaltet, Fontane beschreibt dies als den „Sieg des Natürlichen über das Künstliche“. Der König Friedrich Wilhelm III. machte den kunstsinnigen Mann zum Intendanten der königlichen Schlösser und Gärten. Valentin genoss nicht nur das Vertrauen des Königs, sondern auch der Königin Luise, und begleitet diese 1802 zu dem Treffen mit dem Zaren Alexander I. in Tilsit.

Valentins vierjähriger Sohn August saß am 17. Februar 1803 bei einem Kinderfest in Steinhöfel als Amor verkleidet unter dem Stuhl der Königin. Im Jahr 1809 wurde Valentin zum Obermarschall ernannt.

Familiengeschichte im Wandel der Zeiten

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